© Heavy 2003

Autor: Chris Grenzer

Bild: Plattenfirma

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Auf dem Boden geblieben

Welche Band kann schon von sich behaupten, einen eigenen Stil zu fahren? Die wenigsten! Eine der wenigen sind die Amis MASTERS OF REALiTY um  Tausendsassa Chris Goss, der sich vor Produzenten-Jobs kaum retten kann. Warum er jedoch die Karriereleiter nicht auf Teufel komm raus hinaufklettern will, sondern vielmehr aus seiner Vergangenheit lernen möchte, das und mehr erfahrt Ihr im Plausch mit seinem Namensvetter...

Mit dem überzeugenden Livealbum 'Flak 'n'Flight' hast du das Ziel, den Bühnen-Spirit der Band wiederzugeben, mit Sicherheit erreicht. Wie kam es überhaupt dazu, am jetzigen Punkt deiner Karriere ein Live-Epos zu veröffentlichen? "

Diese CD ist in erster Linie deshalb entstanden, weil ich dieses hervorragende Line-up zur Verfügung hatte. Ich bin mit Josh Homme und Nick Oliveri schon sehr viele Jahre befreundet. Daß sie nun auf diesem Album mitwirken, ist für mich ein Traum, der wahr geworden ist. Es macht so viel Spaß, mit ihnen Musik zu machen. Eigentlich war es ein anderer Freund, der mir vorgeschlagen hatte, ein Livealbum aufzunehmen. Im ersten Moment dachte ich, daß es eine geile Idee sei, vor allem, weil dabei die Fans beider Bands, sprich MASTERS OF REALITY und QUEENS OFTHE STONE AGE, auf ihre Kosten kommen. Ich sehe das Ganze auch als eine Anerkennung an unsere gemeinsame musikalische Beziehung. Aufgenommen haben wir in den Städten London, Hamburg. Frankfurt und Genf.”

Wie kam es zu dieser Freundschaft zwischen Josh, Nick und dir?

"Mmh, schwer zu beschreiben. Wir sind in stetigem Kontakt, seit die beiden bei KYUSS sind. Ich sehe sie öfter als die Mitglieder meiner Familie. Ich denke, das sagt alles. Es ist die Musik, die uns eng verbindet. Wir funken einfach genau auf der selben Wellenlänge. Laß mal nachrechnen - ja, es müssen jetzt ziemlich genau dreizehn Jahre her sein, als wir uns das erste Mal über den Weg gelaufen sind. Es ist ja recht ungewöhnlich, daß wir schon oft zusammen an unterschiedlicher Musik arbeiteten, aber erst jetzt zusammen ein Album machen, quasi als Mitglieder von ein und derselben Band. Aber ich will dir genau erzählen, wie es dazu kam, daß Josh und Nick auf dieser CD spielen: Es war während eines Mittagessens als ich den beiden erzählte, daß ich auf Tour gehen würde. Sie fragten mich, wer denn die Begleitband sei. Ich erwiderte, daß ich noch nicht genau wisse, wer mitkommt. Postwendend kam von beiden das Angebot, mit auf Tour zu gehen. Ich sagte okay und das war's."

So einfach sollten die Verhandlungen eigentlich immer über die Bühne gehen.

"Tja, das ist eben nur dann so easy, wenn du mit deinen Bandmitgliedern auch privat sehr gut befreundet bist. So erübrigt sich das ganze Managergehabe und derartiges. Als ein paar Monate vergangen waren und die Tour unmittelbar bevorstand, waren QUEENS OF THE STONE AGE gerade dabei, ihre CD aufzunehmen. Josh rief mich plötzlich an und wollte einen Rückzieher machen, mit der Begründung, sie seien inmitten der Produktion. Ich erwiderte nur, daß hier eine Knarre neben mir liegen würde. Sofort war die Sache gegessen. Schließlich hatten sie versprochen mitzukommen. Später hat sich herausgestellt, daß es sogar gut für die beiden war, eine Auszeit von der Produktion zu nehmen, denn sie hatten sie bitter nötig. Ich hatte den Eindruck, daß sie während der MASTERS OF REALITY-Tour ihre Batterien wieder aufladen konnten und mit neuer Energie an ihre CD herangingen. Jedenfalls belegt das ihre Platte."

Gibt es schon einen Plan, wer die nächste Studioplatte einspielen soll?

"Ich bin offen für alles, das ist einer meiner festen Grundsätze. Ich muß jedoch dazu sagen, daß die nächste Platte schon fix und fertig ist. Außerdem unterscheidet sich das Material grundsätzlich von den früheren MASTERS OF REALITY-Songs. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, das Album The Chris Goss Record' zu nennen. Die akustische Gitarre wird dabei eine große Rolle spielen. Nicht so wie bei Cat Stevens, sondern viel abgefahrener, irgendwie merkwürdig. Die Songs haben sich über die letzten zehn Jahre angesammelt. Keiner hat bisher den Weg auf ein MASTERS OF REALITY-Album gefunden. Es lag immer daran, daß die Stücke stilistisch anderswo anzusiedeln sind. Alles in allem klingt das Material wirklich sehr interessant. Aber ich weiß nicht, ob das den Fans gefallen wird, weil es zwar emotional heavy ist, aber nicht heavy im Sinne von harter Rockmusik."

Aber dein langjähriger Weggefährte John Leamy kommt dabei doch hoffentlich nicht zu kurz...

"Leider doch, denn an diesen Stücken hat er überhaupt nicht mitgewirkt. Du mußt dir vor Augen halten, daß ich die ganzen Jahre mit vielen unterschiedlichen Drummern zusammengearbeitet habe. Eben diese werden zu hören sein. So ist es eben. Ein anderer Punkt, der mir etwas tiefer im Magen liegt, ist die Tatsache, daß die MASTERS OF REALITY-Mitglieder, welche bei diesen Tracks mitgewirkt haben, Probleme damit haben könnten, wenn die CD unter meinem Namen erscheint. Aber das werde ich schon in den Griff bekommen." Zur Not mit Hilfe deiner Knarre, haha! "Genau!"

 

"JOSH RIEF AN UND

WOLLTE EINEN RÜCK-

ZIEHER MACHEN.

ICH ERWIDERTE NUR,

DASS HIER EINE KNARRE

NEBEN MIR LIEGEN WÜRDE.”

(MUSIKER-REKRUTIERUNG A LA CHRIS GOSS)

 

Der große Pluspunkt, den deine Band ihr Eigen nennen kann, ist ihre Eigenständigkeit. Zwar sind Einflüsse zur Genüge hörbar, aber die Mischung ergibt diesen urtypischen MASTERS OF REALITY-Sound, der im Grunde genommen unvergleichlich ist. Wie würdest du euren unverkennbaren Sound definieren? "

Hmmm, das fällt mir verdammt schwer. Es ist einfach nur Musik. Sie ist definitiv vom Blues beeinflußt. Egal wie sehr  ich mich dagegen wehre, eine gewisse Portion Blues kommt in meinem Songwriting einfach immer vor. Etwas Prog auch. Bands, die mich beeinflußt haben, sind selbstverständlich auch hörbar. BEATLES, David Bowie, LED ZEPPELIN, RAMONES, BLACK SABBATH und noch einige andere."

Das erste MASTERS OF REALITY-Album wurde von Rick Rubin produziert. Was denkst du heute über diese Zusammenarbeit? Würdest du heutzutage wieder einen außenstehenden Produzenten hinzuziehen und deine eigenen Künste in den Hintergrund stellen? "

Ich wünsche mir sogar jemanden, der ein MASTERS OF REALITY-Album produziert. Mir ist der Produzenten-Job mittlerweile zu viel. Ich habe sehr viel in dieser Richtung gemacht, irgendwann brauchst du eine Auszeit. Wie gesagt, ich bin mittlerweile neuen Dingen gegenüber sehr offen. Früher habe ich mir oft einen Kopf über so vieles gemacht und war unzufrieden. Ich habe gelernt, die Band nicht mehr so stark in den Vordergrund zu stellen. Wenn man sich vorstellt, wie viel Musik heutzutage rauskommt, welchen Stellenwert hat dann noch meine? Klar, einen sehr großen für mich persönlich und die Fans, aber global gesehen? Meine heutige Einstellung zu einem neuen Album ist die, daß es halt vernünftig eingespielt werden muß und dann auf den Markt kommt. Die Zeit mit Rubin war keine wirklich tolle. Damals kamen wir innerhalb der Band überhaupt nicht miteinander klar. Ich denke, daßdie Scheibe besser geworden wäre, wenn wir die Produktion in unsere eigenen Hände genommen hätten. Rubins Touch war einfach zu groß. Was dabei herauskam, waren nicht hundertprozentig wir und das ist eigentlich das Wichtigste. Rubin war ein großer Rock-Produzent, der mit Bands wie DANZIG, SLAYER und THE CULT große Erfolge feiern konnte. Er war in aller Munde, also dachten wir, er sei perfekt für uns."

Die Drum-Legende Ginger Baker war relativ lange Mitglied von MASTERS OF REALITY. Wie holt man so einen Mann in sein Boot?

Wir haben uns kennengelernt und mochten uns sofort. Es war 1990, als wir uns das erste Mal über den Weg gelaufen sind. Er machte einen tollen Job auf 'Sunrise On The Sufferbus'. Den großen Unterschied zu anderen Musikern macht seine Erfahrung aus. Er ist ein alter genialer Hase.”