Livereview © Metal Hammer Februar 2002
von Henning Richter
Masters Of Reality + Ojo Rojo
Eins vorweg: Es sollte ein großer Abend werden, eine Nacht, die sämtlichen einfallslosen Stoner Rock-Bands dieser Welt den stinkenden Mittelfinger zeigte. Die Masters Of Reality haben ihren Namen nicht umsonst, die Mannen um den Buddha ähnelnden Chris Goss sind in der Tat Großmeister ihres Fachs.
Zuvor gibt es jedoch einen weiteren akustischen Leckerbissen: Die Berliner Lokalmatadoren Ojo Rojo sind inzwischen zu einer festen Größe der Szene avanciert. Unermüdlich suchen sie sämtliche Clubs der Stadt heim, überall wird ihr bodenständiger Amphetamin-Rock abgefeiert. Gröler Matt Roosta erinnert mit Statur und Stimme leicht an Bon Scott, denn genau wie der verstorbene AC/DC-Gigant versucht auch er kraft seiner Lederlungen die Mikro-Membranen zu zerschreddern. Rückendeckung bekommt der Mann aus Alabama von seiner dreiköpfigen Band, die den skandinavischen Action-Rockern näher steht als etwa den kunstvollen Headlinern Masters Of Reality. Dennoch haben die Combos eines gemeinsam: Beide picken sich die stilistischen Rosinen vergangener Rock-Epochen heraus und veredeln sie mit neuer Energie.
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Nach einer kurzen Umbaupause betreten die Masters die Bretter: Rechts Basser Nick Olivieri (Queens Of The Stone Age), links Gitarrist Josh Homme (ebenfalls Queens), im Hintergrund Trommler John Leamy. Als letzter rollt Kommandant Goss auf die Planken des bereits mächtig schlingernden Musikdampfers. Der Stil des Vierers hat seine ganz eigene Qualität, selbst wenn dabei massig Elemente des klassischen Rock verwendet werden.
Im Gegensatz zu den oben erwähnten Gähn-Stonern geben die Masters der Sache einen besonderen Dreh, zum Beispiel durch auffällig schnelle Drums oder einen ungewöhnlich hohen Gesang, unerwartete Wendungen oder knarzende Saiten-Soli von Homme oder Goss. Der Masters Of Reality-Chef versäumt es denn auch nicht, darauf hinzuweisen, dass die beiden Queens-Mitglieder extra die Aufnahmen zu ihrem neuen Album unterbrochen haben, um mit ihm auf Europa-Tour zu gehen.
Diese Freundschaft spiegelt sich im dicht verzahnten Spiel der Wüstenrocker wieder, 'She Got Me (When She Got Her Dress On) brilliert mit seinem unwiderstehlichen Fußwipper-Groove, 'Deep In The Hole', Titel-Song des aktuellen Masters Of Reality-Albums, stampft und bockt wild, 'Rabbit One' entfaltet einmal mehr sehnsüchtige Melancholie.
Die Masters haben keine Hemmungen, sich bei großen alten Bands - sprich: Black Sabbath, Thin Lizzy, Cream und anderen zu bedienen. Doch sie addieren stets etwas Eigenes, indem sie unerwartet Klang-Elemente verschieben und völlige schräge Passagen einflechten - die Handschrift von "Goss, the Boss" ist stets hörbar. Gut so, denn sie gibt der Gruppe die Eigenständigkeit, die eine große Band einfach haben muss. Das Resultat? Authentische Musik, die tief in der Rock-Geschichte wurzelt, dabei aber stets neue Blüten treibt.
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